Fjällforum
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Meine Wanderung auf dem schwedischen “Kungsleden Süd“ im September 2012

in Fotos, Berichte und Touren 07.01.2015 11:35
von winni | 6 Beiträge

Nachdem ich vor einigen Jahren erfolgreich den Ostkustleden-Rundweg erobert hatte (10 Tage), war mein nächstes Ziel der interessantere und sicher anspruchsvollere Kungsleden-Süd. Dieser beginnt im Süden in Sälen (Dalarna) und endet im Norden in Storlien (Jämtland). Die Gesamtlänge wird mit 360 km angegeben. Wie sich später herausstellte, kann man die km-Angaben getrost verdoppeln, denn man läuft fast immer im Zickzack und auch mal Umwege. Der Weg verläuft mehr oder weniger dicht entlang der norwegischen Grenze.

Ich hatte maximal 15 Tage zum Wandern eingeplant und dann noch 2 Tage, um mit Bussen oder per Anhalter zum Startpunkt zurückzukehren. Natürlich wollte ich wieder vollkommen unabhängig sein, was für mich den Reiz einer solchen Tour ausmacht. Dazu musste dann natürlich wieder viel Ausrüstung für alle möglichen und unmöglichen Fälle in meinem Rucksack verschwinden und Nahrung für mindestens 10 Tage ( hauptsächlich Müsli und Vollmilchpulver). Die restlichen Tage, falls ich überhaupt solange durchhalten würde, wollte ich dann “auf Diät“ gehen. Aber zum Glück besitze ich ja den Bison 75 von Tatonka, einen sehr geräumigen und angenehm zu tragenden Rucksack.


Diesmal hatte ich sogar oben auf dem Rucksack ein kleines Solarmodul befestigt. So schien die Sonne nicht nur auf meinen Kopf sondern in Form von elektrischem Strom auch in einen Hilfsakku, den ich entweder als Reserveakku für mein betagtes, Strom fressendes GPS-Gerät Garmin 12 verwenden oder zum Laden des Handy-Akkus nehmen konnte. Auch hätte ich meine Kopflampe zum Wiederaufladen direkt an das Solarmodul anschließen können sowie notfalls auch meine selbst gebastelte Handlampe (superhelle LED und Li-Akku, klein, leicht, lange Leuchtdauer). Als Einzelwanderer muss man leider immer mehr schleppen als mit Mitwanderern, da manche Dinge nur einmal gebraucht werden. Aber es gibt leider keine anderen Outdoor-Enthusiasten in meinem Bekanntenkreis, welche dann auch noch über die nötige Zeit verfügen ...

Nachdem am 30. August im Internet eine Wetterprognose für das südliche Fjäll 8 Tage Regenfreiheit vorhersagte (was ich erwartet habe, denn es hatte ja den ganzen Sommer über bisher geregnet), war es dann soweit. Mein 32 Jahre alter Renault TP3, der wieder mal in meiner Eremitage in Småland parkte und dringend mal wieder Auslauf brauchte, wurde noch mit den gesamten Dieselvorräten beladen und dann ging es am 31. August morgens los, wie üblich aber nur mit 60-70 km/h, da das Auto mir sonst zu laut und der Verschleiß an Kraftstoff und der Reifen an der Vorderachse zu hoch wird. Ja ja, keine Panik, ich vermied es durch geeignete Fahrtaktik meistens, zum Verkehrshindernis zu werden ...

Nach rund 570 km kam ich dann spät abends beim Sälen Högfjällshotellet an. Eine riesige Hotel und Motel-Anlage, welche erst im Winter zum Leben erwacht. Dann kommen nicht nur Skitouristen sondern neuerdings auch solche, die mit speziellen so genannten Scootern durch die weiße Wildnis brettern wollen. Für mich ist das eine zunehmende Unsitte in Schweden, weil diese Teile unglaubliche Mengen an Zweitaktbenzin verbrauchen. Überall sieht man in der Wildnis die Markierungen dieser Scooter-Wege, rote Kreuze auf extra Metallstangen so hoch montiert, dass sie aus der Schneedecke noch herausragen. Manchmal und im Winter wohl immer laufen auch die Wanderer entlang dieser Markierungen. Dann hat man es leicht mit der Orientierung, aber ganz anders ist die Situation auf den sogenannten Sommerwegen, welche oft sehr schlecht markiert sind (ein bisschen alte Farbe an wenigen Bäumen). Aber die Winterwege laufen teilweise durch Wasser oder anderes Gelände, welches ohne Eis- und Schneedecke nicht begehbar ist.


Ich parkte das Auto auf einem riesigen, sogar beleuchteten Parkplatz, direkt an dem Eingangstor zum Wanderweg. Zu meiner großen Verwunderung stand ich da alleine, keine anderen Wanderer-Autos, ein schlechtes Omen ... Nun ja, ich kochte mir dann die vermeintlich letzte warme Mahlzeit und verbrachte die Nacht dort in meinem “Luxus“-Wohnmobil (alles relativ, hatte mich mental schon auf Zeltübernachtung eingestellt).

Am Morgen kamen dann noch andere schwedische Autos, alles offensichtlich Tagesausflügler. Ich packte jetzt noch eineinhalb Liter Wasser in den Rucksack und wog ihn: rund 23 kg! Ich überlegte nochmal, ob ich die bereits bewährten einteiligen Trekkingstöcke nehme oder die neuen 3-teiligen und verstellbaren und entschied mich dann für letztere, weil man die einfacher in Bus, Bahn oder PKW transportieren kann. Das war ein Fehler, wie sich bald herausstellte.

Die ersten 2 km des Weges sind tatsächlich asphaltiert (geht mit schöner Aussicht stetig leicht bergauf) und auch der weitere Weg bis zur ersten Schutzhütte ist noch gut begehbar. Dort bei der Östfjällsstugan gibt es den ersten hübschen kleinen See mit schöner Aussicht und hier drehen dann die Touristen meist wieder um oder gehen auf einem anderen, schwierigeren Weg zurück zur Straße.


Ich will bei dieser Gelegenheit gleich mal erwähnen, dass es in dem ganzen Wandergebiet im Abstand von durchschnittlich etwa 10 km Schutzhütten oder zumindest einen Wind- und Regenschutz gibt. Die Schutzhütten dienen zur Rast und sollen nur in Notfällen zur Übernachtung benutzt werden. Für Letzteres gibt es dann extra breite Holzpritschen. Natürlich sind die Schutzhütten hauptsächlich für den Winter gedacht und es liegen meist Unmengen an Brennholz bereit, allerdings normalerweise nur in Form von 2-3 Meter langen Stämmchen, die man dann mühevoll mit der bereit liegenden Bügelsäge erstmal Scheit gerecht zersägen und dann noch spalten muss, wozu auch immer mindestens eine Axt vorhanden ist. In jeder Hütte befindet sich mindestens ein “Kanonenofen“. Manche der Hütten haben ein Funk-Nottelefon, welches direkt mit der Polizei verbindet. Außerdem eine Wandbox, in der sich Notproviant befinden soll. Ich habe festgestellt, dass sich darin alles Mögliche befindet, was der eine oder andere Wanderer nicht mehr braucht und nicht mehr tragen will. Also nicht nur Proviant, sondern z.B. ganze Liter Kochbenzin oder Brennspiritus, auch Gas- und Spirituskocher hab’ ich gesehen, Heftpflaster und vieles mehr.

Sehr aufmerksam fand ich es auch, dass es in den ersten Schutzhütten kleine Boxen mit Pflaster von der Firma Salve-Quick gab, allerdings nur für sofortigen Verbrauch, denn eine Klebefläche war dann offen. Ich scheine also nicht der Einzige zu sein, der wunde Stellen an den Zehen bekommt bei längeren Wanderungen über unebenes Gelände! Jedenfalls brauchte ich schon am ersten Abend ein erstes Pflaster, am zweiten waren es fünf und am dritten Tag war ich bei sieben Pflastern! Dieser ausgiebige Pflastergebrauch schützte mich jedenfalls ausreichend und später hatte ich andere Probleme, die meine Laufleistung ausreichend reduzierten, so dass ich keine weiteren Pflaster mehr brauchte, dazu später mehr.

Nun wieder zur Östfjällsstugan, nämlich dahinter änderte sich der Weg schlagartig und nahm seine Normalform an: Steine (auch ganze Steinfelder, siehe Bild unten links), Wurzeln, Schlamm sowie Wasserlöcher oder umgestürzte Bäume, welche man umrunden musste. Und dann kamen bald auch die ersten größeren Feuchtgebiete, die es zu durchqueren gab. An den schlimmsten Stellen gibt es meist solche Boardwalks, also ein oder zwei Bretter nebeneinander, auf denen man laufen kann (siehe Bild unten rechts). Ansonsten läuft man durch diese dicken moosigen Schichten und hofft, dass die Wat-Tiefe der Wanderstiefel ausreicht, bei mir sind es so ungefähr 12 cm. Hebt man den Fuß wieder an, füllt sich das Loch sofort mit Wasser ...



Ich will es hier schon mal vorwegnehmen: ich bin noch nie im Leben durch so viel Wasser gelaufen. Man muss auch daran erinnern, das es nicht nur in Berlin ein extrem nasser Sommer war (wir hatten unseren ersten Regenwasser-Einbruch im Keller) sondern noch viel mehr in Schweden (der Klimawandel lässt grüßen). Ich verfolgte schon den ganzen Sommer über das Wetter in Schweden auf der Internetseite des schwedischen Wetterdienstes SMHI, sah’ den vielen Regen und vor allem gab es mehrmals Hochwasseralarm in vielen schwedischen Provinzen, teilweise sogar die höchste Alarmstufe. Und in Småland gab es auch viel Wasser und auch extrem viele Mücken. Das waren also keine guten Voraussetzungen, denn auf den Flächen des Fjälls, deren Untergrund massiver Stein ist, kann das Wasser oft gar nicht abfließen. Wenigstens gab es erwartungsgemäß kaum noch Mücken da oben, denn es hatte wohl schon die ersten Nachtfröste gegeben.


Wegen dieser ungünstigen Wetterlage im Sommer war der Weg also noch feuchter als sonst, die beschrieben Boardwalks lagen teilweise unter Wasser und die Umwege um die “nicht verbretterten“ Stellen waren größer. Trotzdem erreichte ich des Abends, wieder ’mal ganz unten im Tal angekommen (ging ganz schön ’rauf und ’runter die ersten Tage), einen schönen Platz direkt am Bach zum Zelten. Da lagen sogar passende Steine um ein altes Lagerfeuer und trockene Zweige von Nadelbäumen gab’s auch genug, so dass ich mir ein kleines Kochfeuer machen konnte und schon am ersten Abend die erste von drei eingepackten Trockensuppen verspeisen konnte. Und wenn schon Feuer dann auch noch Tee, auch am nächsten Morgen. Einen Gaskocher hatte ich aus Gewichtsgründen ja nicht dabei, nur einen alten und sehr leichten Alukessel eben für solche Gelegenheiten. Die wenigen Mücken, die hier unten im Tal noch überlebt hatten, nahmen angesichts der Rauchentwicklung dann auch gleich Reißaus.


Schon am ersten Tag bemerkte ich die falsche Wahl meiner Trekkingstöcke. Immer wenn einer im Schlamm oder Sumpf stecken blieb und ich daran zog, lösten sich die Verbindungen und ich hatte nur noch ein oder zwei Drittel des Stocks in der Hand. So ein Pech, so konnte ich sie auf weichen Böden kaum einsetzen. Ideal wären jetzt handtellergroße Füße für die Stöcke gewesen, dann hätten sie auch auf diesem Untergrund nutzbringend eingesetzt werden können.

Am ersten Tag traf ich übrigens auch den einzigen Alleinwanderer auf meiner Tour an einer Raststelle, natürlich auch ein Deutscher. Der wollte immerhin 6 Tage unterwegs sein und hatte auch meine Richtung. Ich ging dann alleine weiter. Am nächsten Tag begegnete ich ihm noch zweimal beim Rasten (es gibt halt nur wenig einladende Raststellen am Weg) bevor ich ihn dann endgültig abhängte. Er sagte auch etwas von Ruhetag einlegen oder so. Das kam für mich noch nicht in Frage, weil das Wetter absolut super war für diese Gegend, sonnig und bis zu 15 Grad warm.


Es ging weiter über die Närfjällstugan und Gransätern bis zur Lilldalsstugan (siehe Bild links). Diese Hütte war so einladend und verlassen dass ich beschloss, mal eine Übernachtung in der Hütte auszuprobieren. Ich schlief allerdings nicht besonders gut, vermutlich weil Iso-Matte auf Holzbrett nicht so weich ist wie Iso-Matte auf Naturboden, zumal wenn dieser dicht mit Gras bewachsen ist. Am 3. Tag erreichte ich mittags die Björnholmsstugan, wo der Fulufjällets Nationalpark beginnt. Von dort begann ein langer und mühseliger Aufstieg auf die Hochebene des Fulufjälls in 950 Meter Höhe. Dann ging es wieder etwas abwärts in das Tangådalen, wo hübsch am Tangån-Fluss dieTangåstugan liegt. Leider war die Hütte von einer großen deutschen Reisegruppe besetzt und außerdem hatten sie drei Zelte am Fluss aufgestellt. Ich war aber so erledigt an diesem Abend, dass ich keinen Schritt weiter mehr wollte und zum Glück gab es auch noch genug Platz für mein kleines Zelt. Diese Reisegruppe war auf einer organisierten Reise mit je 3 Tagen Fjäll-Wandern, Kanu fahren und Radfahren oder so ähnlich.


Früh morgens machte ich mich davon. Ich wollte auch wegen des seit Eintritt in den Nationalpark fehlenden Handy-Netzes schnell weiter, damit ich mal wieder zuhause anrufen könnte. Es war wie gestern schon sehr windig auf dem Fulufjäll, auch die nächsten Tage ging es weiter mit dem kräftigen Wind und es blieb trocken (jedenfalls von oben) und oft sonnig. Wie Birken dort oben auf dem windigen Fjäll wachsen zeigt das nebenstehende Foto. Wegen dem Wind war ich sehr froh, eine Wollmütze dabei zu haben. Gegen Mittag erreichte ich schon trotz kleinem Umweg die Tangsjöstugan. Dort wollte ich noch mal in Ruhe meine Pflaster an den Füßen erneuern aber leider hatte wahrscheinlich die erwähnte Reisegruppe, welche dort am Vortag war, die Bestände restlos geplündert! Es ging weiter und ich nahm mir vor, möglichst immer in der Nähe einer Schutzhütte zu zelten, falls es doch mal Regen gibt. Mein Zelt, das Ein-Mann-Zelt Pathfinder von der Firma Wechsel, hat nämlich leider den kleinen Nachteil, dass es mindestens 10 cm zu niedrig ist zum aufrechten Sitzen und deswegen halte ich mich dort nicht so gerne außer zum Schlafen auf.

Am frühen Abend erreichte ich die Rörsjöstugan und etwa 100 Meter davor fand ich einen wunderschönen Zeltplatz direkt an dem großen See Storrösjön, welcher immer noch auf 896 Meter Höhe liegt. Ich war immer noch im Nationalpark Fulufjället aber mein Handy funktionierte wieder. Ich hatte es auch inzwischen schon erfolgreich mit meinem Solar-Akkupack System nachgeladen, denn bei schwachem Netz wird der Handy-Akku schnell leer (ist auch nicht mehr der neueste ...)

Der Wind blies dort am Seeufer noch kräftiger, die paar Büsche zwischen mir und dem Wasser halfen nicht viel. Ich dachte mir, das wäre doch mal eine gute Gelegenheit auszuprobieren, ob ich mein Zelt auch bei Starkwind aufbauen kann und der Wind würde schon im Laufe des Abends einschlafen ...
Das erstere war richtig, das heißt es gelang. Das zweitere nicht, der Wind wurde nachts sogar noch stärker, so dass ich kaum ein Auge zu machen konnte denn ich fürchtete, er würde das Zelt zerreißen. Morgens zum Aufstehen wurde der Wind endlich etwas schwächer und ich stellte erfreut fest, dass mein kleines flaches Zelt den Sturm gut überstanden hatte!

Die Fußknöchel schmerzten am Morgen, es war unangenehm auf unebenem Boden zu laufen ohne die Stöcke. Ich beschloss, heute nicht ganz so weit zu laufen und der Vorsatz war auch nicht schwierig einzuhalten, denn ich wurde immer langsamer auf den steinigen Wegabschnitten. Es ging jetzt in weitem Bogen nach Süd-Südwest Richtung Gördalen, also quasi etwas zurück. Dann folgte ein steiler Abstieg von knapp 1000 Meter Fjällhöhe auf 600 Meter Talhöhe des Flusses Görälven, der Nationalpark endete hier, ich durchschritt das Örtchen Gördalen und es ging wieder hinauf auf die 950 Meter des Drevfjället, wieder dicht an der norwegischen Grenze. Noch vor Erreichen dieser Höhe machte ich abends halt bei einem Windschutz mit dem Namen Gröningshållan. Hier gab es wieder eine gute Gelegenheit für ein kleines Feuer und ein Süppchen (Bild links unten). Das Bild rechts unten zeigt kuriose Schilder mitten in der Wildnis für die Scooter-Fahrer im Winter: Tank- und Raststelle ohne km-Angaben.



Am Morgen des sechsten Tages waren meine Fußknöchel leider wieder sehr unangenehm aber ich wollte bei dem immer noch guten Wetter wenigstens ein bisschen vorankommen gen Norden und machte daher wieder den Kompromiss, es langsam angehen zu lassen und nicht zu weit zu laufen. Immerhin war ja mein Rucksack inzwischen etwas leichter geworden, zumal ich mir das Wasser-Schleppen abgewöhnt hatte, denn es gab eigentlich in ausreichend engen Abständen Bäche mit trinkbarem Wasser und selbst das Wasser aus den flachen Seen hätte man notfalls trinken können, da würde ich dann einfach eine Prise Micropur dazugeben, hatte ich natürlich auch dabei. Passend zur Mittagsrast erreichte ich die Hütte Drevfjällstugan und zum Abend die Hütte Id-Persätern, in deren Nähe ich wieder übernachtete.

Am nächsten Morgen konnte ich wegen der schmerzenden Sehnen an beiden Fußknöcheln kaum noch laufen ohne die Stöcke und mir war klar, dass ich die Tour wohl bei Erreichen der nächsten Straße abbrechen müsste. Ich verstehe es eigentlich nicht, dass ich diese Probleme bekam, denn so etwas hatte ich noch nie und außerdem hatte ich ja immer sehr viel Kraft auf die Arme und die Trekkingstöcke verlagert um das Fahrwerk zu entlasten. Muss wohl wirklich an den vielen Steinen und dem vielen Sumpf (und den dadurch auch ständig durchnässten Füßen) liegen ... Außerdem machte mir jetzt auch ein Sehne am linken Knie (innenseits) Beschwerden beim Anheben des linken Beines. Auch da gab es schon eine sichtbare Schwellung und eine Druckempfindlichkeit.

Aber die (nach Wegweiser) 13 km des Sommerweges (d.h. ca. 26 km, s. o.) bis zur nächsten Schutzhütte Röskåsen müsste ich heute schon schaffen, zumal das Wetter wieder super war, auch wenn es sich die letzten Tage auf die hiesigen Normalwerte von 5-10 Grad abgekühlt hatte. Leichte Nachtfröste hatte ich auch schon und es war mir dann etwas kühl trotz meines Daunenschlafsacks, liegt wohl an meinem niedrigen Blutdruck, der mich auch schlecht schlafen lässt ...


Gleich zu Anfang des Weges kam ich mal wieder vom Weg ab, fand aber mit Hilfe von GPS bald wieder auf den Weg zurück, so wie auch die letzten Male. Dies passierte immer dann, wenn so ein schwach markierter Trampelpfad an ein größeres Feuchtgebiet stößt und es keine Bretter da durch gibt. Dann verliert sich jede Spur, weil jeder Wanderer eine andere Möglichkeit sucht, halbwegs trockenen Fußes über den Sumpf zu kommen. Außerdem füllen sich die Spuren der vorangegangenen Wanderer mit Wasser, sodass man gezwungen wird, einen neuen Weg zu suchen. Auf der anderen trockeneren Seite angekommen, findet man dann oft nicht die meist sehr kleine und verblasste orangerote Markierung an einem Baum oder Stein. Man folgt dann irgendeinem Trampelpfad und stellt irgendwann fest, das da offensichtlich auch andere schon in die Irre gelaufen sind, weil dieser dann immer dünner wird (weil die “Umdreher-Quote“ weiter zunimmt).

An diesem Tag hatte ich den Eindruck in einem scheinbar endlosen Feuchtgebiet voller Wasser zu sein, was sich von Horizont zu Horizont erstreckte. Es war wie ein Meer und aus diesem Meer schauten kleine Inseln heraus, auf denen nur Büsche oder auch kleine, magere Bäume wuchsen, bei größeren Inselbergen waren die Bäume auch schon mal stattlicher. Der Wanderer durch diese eigentümliche Welt rettet sich von Insel zu Insel, immerfort die kürzeste und flachste Passage suchend.

Bald darauf passierte es wieder, dass ich auf der anderen Seite eines Feuchtgebietes den Weg nicht wieder fand. Diesmal lief ich sogar eine längere Strecke links und rechts quer, um unbedingt den Weg wieder zu finden, aber es gelang mir diesmal nicht. Ich lief dann einfach weiter und übte mich in dem im letzten Absatz beschriebenen “Insel-Hopping“, um dann bald einen markanten See mit GPS anzusteuern, an dessen Südspitze laut meiner Fjällkartan W1 der Wanderweg vorbeigehen sollte. Dort angekommen fand ich keine Spur des Weges, statt dessen ein großes Feuchtgebiet als südliche Verlängerung des Sees. Da ich nach Westen musste und nicht wieder einen riesigen Umweg machen wollte, musste ich da irgendwie durch ...

Das klappte zunächst auch ganz gut, auch wenn ich meist bedenklich tief einsank. Doch plötzlich brach mein rechtes Bein durch die Pflanzendecke und verschwand bis zum Knie in dem Morast. Ich versuchte vergeblich das Bein wieder herauszuziehen, es steckte fest und es lag nicht an der 20 kg Rucksack-Masse auf meinem Rücken. Es half nichts, ich musste mit den Händen das Pflanzengestrüpp um mein Bein herum herausreißen und es quasi frei graben. Ich kam frei und weiter ging es durch das Moosgras, nun aber mit weniger Respekt, denn der rechte Stiefel war eh’ voll Wasser und Torf. Bald kam ein breiter Bach mit kräftiger Strömung, keine Chance da trocken ’rüber zu kommen aber das war mir jetzt auch egal. Einfach durch mit den Stiefeln, auf der anderen Seite hab’ ich dann das Wasser ’rausgekippt und die Strümpfe ausgewrungen.

Stundenlang ging’s dann noch im Zickzack durch die Wildnis und niemals kreuzte ich den mysteriösen Wanderweg. Ich fand ihn nicht bis ich schließlich abends in der Schutzhütte Röskåsen ankam. Ich schätzte meinen Irrweg auf sehr unebenem Terrain auf etwa 10 km und bin der Meinung, dass der Wanderweg falsch auf der Karte eingetragen ist, auch wenn die mit Ausgabe April 2010 relativ neu war. Ich sägte und spaltete dann schnell etwas Brennholz und zündete den Ofen im Haus an und bald hingen darüber meine Strümpfe und Schuhe, die waren immer noch vollkommen nass! Mein Zelt hatte ich dicht am Haus aufgeschlagen und als es dunkel war zog ich mich dahin zurück.

Kaum war ich drin, hörte ich menschliche Stimmen. Ich dachte schon, jetzt spinnst Du, aber da waren sie wieder, ganz deutlich. Ich ging noch mal ins Haus und siehe da, ein junges schwedisches Pärchen war gerade eingetroffen. Die kamen aus der Gegenrichtung und hatten sich auch verirrt, obwohl sie ein ganz neues Garmin GPS-Gerät eingeschaltet hatten, in welchem sogar Kartenmaterial einschließlich der Wanderwege eingespeichert war und auch ihre Route rot markiert war (Farbdisplay!, muss mir auch mal ein neues Gerät leisten...). Sie waren sehr froh, dass ich so schön eingeheizt hatte und ihnen das Haus überließ, denn sie hatten kein Zelt dabei. Während ich mich dann wieder in das Zelt verzog haben sie sich dann noch ein anscheinend aufwendiges Abendessen bereitet, denn beim Frühstück am nächsten Morgen fand ich an dem Platz am Tisch, wo ich gestern saß und noch meine Müsli-Tüten standen, eine große Öllache und Zwiebelreste auf dem Wachstuch, welches auch einen Schnitt aufwies, der da gestern noch nicht war. Ich musste also meine Tischecke erstmal säubern und dann gab’ s zur Abwechslung mal wieder Müsli, während die Schweden ausgiebig frühstückten. Die schienen nur zum Picknicken hier unterwegs zu sein und machten wohl nur eine Wochenendtour.


Am Morgen des achten Tages zeigten sich natürlich auch die Folgen der Gewalttour des Vortages. Es ging nur noch sehr langsam und mit massivem Stock-Einsatz voran, die Fußknöchel waren noch schlimmer geworden, fühlten sich aber im Laufe des Tages mit zunehmender Betätigung wieder besser. So schaffte ich bis abends doch immerhin etwa 15 km und übernachtete bei einem Windschutz, welcher nicht mehr weit von der Straße bei der Siedlung Flötningen entfernt war.

Bild links: so sehen markierte Wanderwege manchmal aus!


Der nächste Tag startete zum Glück noch trocken, aber nachdem ich losgelaufen war, fing es an zu nieseln, und das blieb so bis zum frühen Nachmittag. Die ungewöhnlich stabil für 8 Tage schöne Wetterlage schien sich jetzt zu ändern, aber das war nicht schlimm, denn ich hatte nur noch wenige km bis zur Straße und würde ja dann den Rückweg antreten. Vorher musste ich aber noch über einen breiten Bach mit guter Strömung, wo die Holzbrücke bei irgendeinem Hochwasser wohl zerstört worden war. Dieses Mal waren die Schuhe innen noch trocken, also zog ich sie aus, steckte die Strümpfe ’rein und warf sie auf das gegenüberliegende Ufer. Dann ging es barfuß durch den Bach, knietief war es an der tiefsten Stelle (Bild links).

An der Straße angekommen am östlichen Ende von Flötningen fand ich dort sogar eine Bushaltestelle, aber mir war klar, dass hier in dieser Einöde heute kein Bus fährt, denn es war ausgerechnet Sonntag. Um nicht in der Kälte ’rumzuhängen lief ich dann die Straße schon mal weiter in Richtung des Ortes Idre. Dort vereinen sich die Flüsse Storån und Sörälven zur Österdalälven, ein wunderschönes Flusstal mit vielen einladenden freien Camp-Plätzen (die sind sogar teilweise ausgeschildert als “Lagerplats“). Meine Füße trugen mich noch etwa 16 km weit (jetzt mal normale Straßenkilometer) über den sogenannten “Kopparleden“ und dann zeltete ich an einer hübschen Stelle, nicht weit von einer Bushaltestelle entfernt (auch dort leider kein Fahrplan ausgehängt).

Am zehnten Tag war ich früh auf, denn ich rechnete mit einem Bus so gegen 7 Uhr, welcher die Kinder zur Schule nach Idre bringt. Und richtig, um etwa halb sieben kam er aus der Gegenrichtung und es würde wohl nur 20 Minuten dauern, bis er in Flötningen umgedreht und wieder hier wäre. Also schnell die Reste zusammengepackt und ab zur Bushaltestelle. Keine fünf Minuten gewartet, kam er tatsächlich und brachte mich nach Idre. Dort stieg ich in einen Bus der bis nach Mora fährt, den ich aber nur die kurze Strecke bis zum Ort Särna nutzen konnte, da mir der Umweg über Mora zu lang und teuer geworden wäre.

In Särna gab es zu meiner Überraschung und entgegen der Aussage des Busfahrers keinen Bus, welcher die Straße Richtung Sälen und Malung befährt. Mir blieb also nun nichts anderes übrig, als ’mal den Daumen ’rauszuhalten und nach einer Stunde hatte ich Glück. Immerhin waren in der Zeit höchstens 10 Autos an mir vorbeigefahren, von denen die meisten wahrscheinlich gar nicht den Ort verlassen wollten, denn ich stand ja noch innerhalb des Ortes gleich hinter dem entsprechenden Abzweig. Ein sehr freundlicher Rohrleitungsbauer, mit dem ich mich bestens auf Englisch unterhalten konnte, nahm mich in seinem großen Pick-up mit bis direkt nach Sälen. Nun musste ich nur noch zurück zum Högfjällshotellet und da ich nicht lange auf den Bus warten wollte, legte ich die letzten 10 Straßenkilometer nochmal zu Fuß zurück und es ging leider stetig bergauf ...

Da stand zum Glück immer noch und unversehrt mein TP3, mit dem ich mich dann alsbald auf den Rückweg machte. Ich fuhr dann bis zu einem wunderschönen Platz am Ufer des Flusses Västerdalälven und machte mir erst mal wieder einen richtigen Kaffee mit der bordeigenen Küche. Dann ging es weiter bis zu einem schönen Übernachtungsplatz an einem See kurz vor Laxå (hinter Karlskoga). Was für ein Luxus mal wieder auf 10 cm Schaumstoff zu schlafen! Am nächsten Tag gegen Mittag war ich dann wieder in meiner schwedischen Oase. Das Gras war dort schon wieder gewachsen und die Mücken waren immer noch da ...

Was fehlt noch?

Ach ja, fast überall während meiner Wanderung fand ich reife Blaubeeren, so dass eine Mindest-Vitaminversorgung sichergestellt war.

Aufgefallen ist mir auch im Nachhinein, dass ich überhaupt keine Säugetiere gesehen habe! Das mag wohl auch daran gelegen haben, dass ich ständig den schwierigen Untergrund im Auge behalten musste. Dabei gibt es ja sogar Bären dort und neuerdings sogar ein paar Wölfe.

Dass ich so wenig Wanderer und überhaupt keinen Weitwanderer auf dem berühmten Kungsleden getroffen habe, finde ich immer noch erstaunlich, denn das Wetter war ja super. In den Gästebüchern der Schutzhütten, wo der Wanderer sich mit Datum und nächstem Wanderziel immer eintragen soll, fanden sich auch nur wenige Einträge aus jüngerer Zeit. Immerhin waren da auch einige wenige aus dem Juli und August. Da muss es ja noch nasser gewesen sein, zusätzlich auch noch von oben und dazu viel zu warm zum Rucksackschleppen und total mückenverseucht! Meine allergrößte Hochachtung gilt diesen Sommer-Wanderern, das wäre nichts für mich!

Wenn die Umstände es zulassen (zum Beispiel der Klimawandel), würde ich gerne im nächsten Jahr den nördlichen Teil des südlichen Kungsleden erwandern. Der sieht nämlich interessanter aus und ich habe ja dieses Mal nur ein gutes Drittel des Weges geschafft. Natürlich nur, wenn meine Fußknöchel sich bis dann erholt haben. Im Moment, gut eine Woche danach, schmerzen sie immer noch und ich kann nicht richtig laufen und wenn ich es doch tue, wird’s schlimmer. Das ist für mich so ziemlich das Schlimmste, nicht laufen zu können. Meine Diagnose nach Konsultation des Medizin-Lexikons lautet nun leider: multiple Sehnenscheidenentzündung. Wie gesagt, ganz neue Lebenserfahrung, verstehe es überhaupt nicht, macht die Art und Länge des Weges wirklich diesen Unterschied oder ist es das Alter, bin ja leider gerade 60 geworden ...

Na ja, auf jeden Fall war das Laufen auf extrem unebenem oder nachgebendem Untergrund (und dann noch mit schwerem Rucksack) das perfekte Training für die Kräftigung der tiefliegenden Muskulatur der LWS (Lendenwirbelsäule), was wir zivilisierten Menschen alle mehr oder weniger nötig haben, neigen wir doch alle zu Protusionen der Bandscheiben mit zunehmendem Alter, mein Rücken fühlt sich jedenfalls besser an als vor 30 Jahren. Und meine momentane Immobilität gab mir jedenfalls die Muße, diesen Reisebericht zu schreiben.

Småland, den 18.09.2012

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